International Aspirin® Award 1999: neue Forschungsergebnisse

NATUR+PHARMAZIE 1/2000

Acetylsalicylsäure regt Ferritinbildung an

Oxidative Prozesse durch freie Radikale spielen beim Entstehen von Endothelläsionen in Blutgefäßen eine entscheidende Rolle. Die Zerstörung des Endothels steht am Beginn atherosklerotischer Gefäßveränderungen, die zu Folgeerkrankungen wie koronarer Herzkrankheit, Herzinfarkt oder Angina pectoris führen können. Deshalb ist der Endothelschutz eine wichtige Vorbeugemaßnahme gegen diese Krankheitsbilder.

Eine Arbeit von Frau Dipl.-Biol. Stefanie Oberle aus der Arbeitsgruppe von Professor Schröder, Institut für Pharmakologie und Toxikologie am Fachbereich für Pharmazie der Universität Halle, zeigt, dass der infarktpräventive Effekt von Acetylsalicylsäure neben der seit langem bekannten Thrombozytenaggregationshemmung auch auf einer Induktion des antioxidativ wirksamen Ferritins beruhen könnte. Frau Oberle wurde dafür mit dem diesjährigen internationalen Aspirin® Junior Forschungspreis ausgezeichnet. Die Redaktion der Apotheken-Depesche sprach mit Professor Dr. Henning Schröder über diesen neu entdeckten antioxidativen Wirkmechanismus der Acetylsalicylsäure. AD: Was versteht man unter oxidativem Stress, und welche Folgen kann er für die Betroffenen haben? Professor Dr. Henning Schröder: Oxidativer Stress entsteht, wenn die im Stoffwechsel des Körpers anfallenden Sauerstoff-Radikale nicht ausreichend abgefangen werden können, weil dem Körper Antioxidanzien fehlen oder aufgrund von endogenen oder exogenen Belastungen vermehrt freie Radikale entstehen. Dieser oxidative Stress führt z.B. zu Schädigungen am Endothel und kann auf diese Weise atherosklerotische Prozesse in Gang setzen, die zu schwerwiegenden Folgeerkrankungen wie z.B. Herzinfarkt führen können. Freie Radikale spielen außerdem bei der Entstehung von Rheuma, dem Untergang von Inselzellen beim Diabetes mellitus und bei anderen Autoimmunerkrankungen eine wichtige Rolle. Man geht heute sogar davon aus, dass freie Radikale auch bei der Entstehung neurodegenerativer Krankheiten wie z.B. Morbus Alzheimer von Bedeutung sind. Was ist Ferritin und welche Aufgabe hat es im Körper? Bisher kannte man Ferritin nur als "Housekeeper-Protein", also als Protein, das überall im Körper z.B. als Eisenspeicher bei der DNA-Vermehrung zur Verfügung steht. Erst vor kurzem konnte in unserer Arbeitsgruppe bewiesen werden, dass die Ferritin-Produktion induziert werden kann - je nach den Erfordernissen der Zelle. Es konnte gezeigt werden, dass z.B. unter oxidativem Stress in Zellkulturen mehr Ferritin gebildet wird als unter normalen Bedingungen. Ferritin hat aber keine Radikalfängerfunktion im engeren Sinn, sondern es packt das Übel sozusagen an der Wurzel an, in dem es das zur Bildung von freien Radikalen notwendige Eisen abfängt. Wie beeinflusst Acetylsalicylsäure die Ferritin-Produktion? Acetylsalicylsäure induziert Ferritin, in dem es die Proteinsynthese dieses Eiweißstoffes anregt. In kultivierten Zellen, die mit Acetylsalicylsäure vorbehandelt worden waren, wurde mehr Ferritin produziert und es konnte nachgewiesen werden, dass die mit Acetylsalicylsäure vorbehandelten Zellen besser vor dem Angriff von freien Radikalen geschützt waren. So stieg in Versuchen mit Wasserstoffperoxid die Zahl der überlebenden Zellen nach Vorbehandlung mit Acetylsalicylsäure an. Welcher Mechanismus liegt dabei zugrunde? Lässt sich diese Wirkung auch durch andere NSAR erreichen? Der Ferritin-Effekt ist spezifisch, d.h. er ist nicht mit anderen NSAR wie z.B. Diclofenac, Indometacin oder Salicylsäure zu erreichen. Es ist deshalb anzunehmen, dass es sich nicht um einen Effekt handelt, der in Zusammenhang mit der Prostaglandin-Synthesese steht. Man geht davon aus, dass Acetylsalicylsäure die Gene von Early-Response-Proteinen fördert und es so zur Induktion von Ferritin kommt, oder dass Acetylsalicylsäure Repressor-Proteine, die normalerweise dafür sorgen, dass nur eine kleine Menge Ferritin produziert wird, hemmt, und auf diese Weise die Ferritin-Produktion steigert. Bei welcher Dosierung von Acetylsalicylsäure lässt sich dieser Effekt beobachten? Der Effekt lässt sich bereits bei sehr niedriger Dosierung beobachten. Experimentelle Modelle lassen darauf schließen, dass die zur Ferritin-Induktion notwendigen Mengen Acetylsalicylsäure in etwa auf dem Niveau der antithrombotischen Therapie liegen. Lässt sich durch andere Antioxidantien, z.B. Vitamin E oder Vitamin C eine synergistische Wirkung erreichen? Mehrere Arbeiten weisen darauf hin, dass z.B. mit Vitamin E ein synergistischer Effekt zu erreichen ist. So konnte Steiner et al. in einer 1995 veröffentlichten Arbeit zeigen, dass TIAs (transitorische ischämische Attacken, mögliche Vorboten eines Schlaganfalls) bei der kombinierten Therapie von Acetylsalicylsäure und Vitamin E stärker zurückgingen als unter der Monotherapie mit Acetylsalicylsäure.

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