Darmflora

NATUR+PHARMAZIE 4/2020

Archaebakterien spielen Rolle für gesunden Darm

Ein Internationales Forschungsteam beschreibt erstmals systematisch die Beteiligung von Archaeen am Zusammenspiel des Körpers mit seinen symbiotischen Mikroorganismen. Diese Gruppe der Mikroorganismen wurde dabei bisher wenig beachtet. Die Archaeen wurden früher auch als Archaebakterien oder Urbakterien bezeichnet.
„Archaeen haben verschiedene Anpassungsstrategien an extreme Bedingungen entwickelt. Dazu zählt auch die Fähigkeit, bei einem dauerhaft niedrigen Energieangebot zu leben. Viele Archaeen existieren im Bereich eines gerade noch möglichen Energieminimums. Dies lässt sie für das Zusammenspiel mit anderen Mikroorganismen und dem Wirtslebewesen als besonders geeignet erscheinen. Daher wollen wir bei der Erforschung der Wirts-Mikroben-Beziehungen künftig die Beteiligung der Archaeen stärker beleuchten“, betont Mikrobiologin Ruth Schmitz-Streit, die in einem Kieler Sonderforschungsbereich „Entstehen und Funktionieren von Metaorganismen“ zwei Projekte leitet.
Zusätzlich zur Bestandsaufnahme der mit Tieren und Pflanzen assoziierten Archaeen nahmen die Forschenden in ihrer Arbeit neben den im menschlichen Hautmikrobiom vorkommenden sogenannten Thaumarchaeota vor allem eine ganz bestimmte Gruppe von Archaeen in den Fokus: Die methanbildenden Arten. Sie kommen bevorzugt in sauerstoffarmen Umgebungen wie etwa dem menschlichen Darm vor und unterstützen dort lebende Bakterien in ihrer Stoffwechselaktivität substanziell und machen zum Beispiel deren Umsetzungen noch effizienter. Dabei entsteht als Endprodukt Methan. Wie umfangreich diese Prozesse sind, zeigt sich zum Beispiel daran, dass ein Mensch im Durchschnitt etwa einen Drittelliter Methangas pro Tag produziert und das Gas bei rund 20 % der Bevölkerung sogar im Atem nachweisbar ist. Abgesehen von ihrem Anteil an Stoffwechselprozessen diskutierten die Forschenden zudem, in welcher Weise Archaeen an der Krankheitsentstehung beteiligt sein könnten. Bisher ist jedoch noch kein pathogenes Archaeon nachgewiesen worden. „Allerdings ist zum Beispiel seit Kurzem eine aktive Interaktion von Methanobrevibacter smithii und Methanosphaera stadtmanae mit dem menschlichen Mikrobiom nachweisbar. Das Immunsystem des Menschen kann sie erkennen und auf sie reagieren“, betont Schmitz-Streit. „Diese beiden häufigsten Archaeen des menschlichen Darmtrakts haben sich also im Laufe der Evolution also aktiv an das menschliche Ökosystem angepasst“, betont Christiane Moissl-Eichinger, Professorin für Interaktive Mikrobiomforschung an der Medizinischen Universität Graz. Die von den Archaeen verursachte Aktivierung des Immunsystems zeigt sich zum Beispiel in der Ausschüttung von entzündungsfördernden Signal-Proteinen, sogenannten Cytokinen. Diese Reaktionen unterscheiden sich bei den beiden Archaeen-Arten in ihrer Intensität. Methanobrevibacter smithii und Methanosphaera stadtmanae kommen zudem in Abhängigkeit vom Gesundheitszustand in ganz unterschiedlicher Anzahl vor, was zumindest einen Zusammenhang ihrer Häufigkeit mit der menschlichen Gesundheit und der Entwicklung von Krankheiten nahelegt.
Diskutiert wird einerseits, ob sich eine frühe Exposition von Kindern gegenüber Archaeen positiv bezüglich des Asthmarisikos auswirkt. Manche Archaeen könnten zudem eine gesundheitsfördernde Wirkung durch den Abbau der sogenannten Trimethylamine (TMA) zeigen - toxische Schlüsselmoleküle, die unter anderem Atherosklerose verursachen können. So sind bereits erste auf der Anwendung von TMA-abbauenden Methanomassiliicoccales basierende therapeutische Ansätze als sogenannte „archaebiotics“ in der klinischen Prüfung. Andererseits vermuten Forschende, dass eine erhöhte Anzahl von methanbildenden Archaeen mit einer Reihe von schwerwiegenden Krankheitsbildern in Verbindung stehen könnte, zum Beispiel Darmkrebs oder entzündliche Darmerkrankungen.
Quelle: Borrel G. et al.: The host-associated archaeome. 2020. Nature Reviews Microbiology. https://doi.org/10.1038/s41579-020-0407-y (Quelle: Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Dr. Boris Pawlowski)

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