In der überarbeiteten Leitlinie der deutschen Urologen vom Februar 2003 (www.uni-duesseldorf.de/AWMF) ersetzt das "Benigne Prostata-Syndrom", BPS, die altbekannte BPH (Hyperplasie). BPS dient als Überbegriff für das Krankheitsbild, dessen konkrete Symptome nach angelsächsischem Vorbild als LUTS (Lower Urinary Tract Symptoms) bezeichnet werden. Verzögerter Miktionsbeginn, abgeschwächter Harnstrahl, "Harnstottern" Nachträufeln und Restharngefühl sind obstruktive Symptome, Pollakisurie (häufige Entleerung kleiner Harnmengen), Nykturie (dasselbe nachts) und Dranginkontinenz heißen die irritativen Symptome. Dabei gibt es keine fixe Relation zwischen Symptomatik (LUTS), histologischer Prostatavergrößerung und dem Grad der Obstruktion. Patienten mit sehr großem Drüsenvolumen können völlig beschwerdefrei bleiben, während andere mit kleinem Prostatavolumen sowohl unter obstruktiven als auch irritativen Beschwerden leiden. Bei der Diagnosestellung untersucht der Facharzt digito-rektal Größe, Konsis-tenz und Schmerzempfindlichkeit der Prostata, bestimmt Uroflow (maximalen Harnfluss), Restharn, Urinstatus, Urinsediment und Serum-Kreatinin. Eine Uro-Sonographie dient dem Stein- und Tumor-ausschluss. Bei Patienten über 50 Jahre sollte das Prostata-spezifische Antigen (PSA) bestimmt werden. Der Blutwert von PSA ist ein Marker für entzündliche oder kanzeröse Prostataveränderungen. Aber auch Medikamente können die Blasenentleerung beeinflussen: Anticholinergika, Parkinsonmittel, Sympathomimetika und Neuroleptika können die Detrusor-Kontraktilität senken, Adrenergika und Antidepressiva den Widerstand der Harnröhre erhöhen. Alle medikamentösen Therapien bessern mehr oder weniger die Symptomatik (LUTS), ohne die Obstruktion wesentlich zu beeinflussen. Die verschiedenen pflanzlichen Präparate sind zur Behandlung der Reizblase und/oder des BPS im Stadium I bis II zugelassen. Für Beta-Sitosterol liegen aussagekräftige Metaanalysen vor: Zusammengefasst fand sich gegenüber Plazebo eine Symptomenverbesserung von 35 % und eine Erhöhung des maximalen Harnflusses von 34 %. Kürbisextrakte erzielten in einer 12-monatigen kontrollierten Studie mit 467 Patienten eine signifikant größere Reduktion des Symptomen-Scores als Plazebo. Für Roggenpollen-Extrakte existieren zwei Multicenterstudien über drei bzw. sechs Monate, die ebenfalls eine signifikante Symptomenreduktion belegen. Für die Brennnessel fehlen derzeit kontrollierte Untersuchungen nach Kriterien der EBM mit ausreichender Patientenzahl und Studiendauer. Allerdings zeigt eine kontrollierte 12-Monatsstudie mit einem Kombinationsextrakt aus Sägepalme und Brennnessel an 489 Patienten hinsichtlich Symptomenlinderung und Verbesserung des Harnflusses eine vergleichbare Wirkung wie unter Finasterid. Vier alpha-1-Adrenozeptor-Antagonisten (Alphablocker) sind in Deutschland für die BPS-Behandlung zugelassen: Alfuzosin, Doxazosin, Tamsulosin und Terazosin. Bei adäquater Dosierung bewerten die Fachärzte sie alle als ähnlich wirksam. Im Vergleich zu Plazebo bessern sie die LUTS deutlich, den maximalen Harnfluss nur gering. Charakteristisch für die Alphablocker ist der rasche Wirkungseintritt und die Dosisabhängigkeit von Wirkung und Nebenwirkung. Selbst der 5-alpha-Reduktasehemmer Finasterid bessert den Harnfluss nur wenig. Aber Langzeitstudien über vier Jahre belegen neben einer deutlichen Symptomenbesserung eine Reduktion des Prostatavolumens, um max. 20 %. Das Risiko eines Harnverhalts sinkt. (RS)
Aktualisierte Leitlinie zum Benignen Prostata-Syndrom (BPS)
NATUR+PHARMAZIE 4/2003
Eine tabuisierte, unterbehandelte Volkskrankheit
40 % der Männer über 50 Jahre - über 4,8 Millionen - leiden nach der Herner LUTS-Studie an behandlungsbedürftigen Symptomen des unteren Harntraktes (LUTS), meist verursacht durch Prostatahyperplasie. Doch 70 % von ihnen - also 3,4 Millionen - sind derzeit unbehandelt, obwohl sie einen deutlichen Leidensdruck haben.