Unabhängig vom späteren Diabetesstatus

NATUR+PHARMAZIE 4/2019

Gestationsdiabetes korreliert mit erhöhtem kardiovaskulären Risiko

Frauen, die einen Gestationsdiabetes mellitus (GDM) entwickeln, haben bekanntlich ein erhöhtes Risiko, später auch an Typ-2-Diabetes zu erkranken. Neuere Studien haben gezeigt, dass bei GDM außerdem auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (CVD) steigt. Ob dieses Risiko unabhängig vom Entstehen eines Typ-2-Diabetes ist, klärte nun eine umfassende Metaanalyse.
Obwohl sich die Glucosetoleranz in der Regel unmittelbar nach der Geburt wieder normalisiert, entwickeln Frauen mit GDM im ersten Jahrzehnt nach der Geburt häufig auch einen Typ-2-Diabetes. Insgesamt weisen die betroffenen Frauen eine mehr als siebenmal höhere Gesamtinzidenz von Typ-2-Diabetes auf als altersgleiche Frauen ohne GDM.
Einige Studien der letzten Jahre haben nun gezeigt, dass Frauen mit GDM trotz ihrer relativen Jugend, also noch im reproduktionsfähigen Alter, auch ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko tragen. Wie hoch dieses Risiko ausfällt und ob dies nur GDM-Patientinnen betrifft, die später auch einen Typ-2-Diabetes entwickeln, oder nicht, war bisher jedoch unklar.
Aufklärung schafft eine aktuelle Metaanalyse, die eine Fall-Kontroll- und acht Kohortenstudien mit Daten von knapp 5,4 Millionen Frauen miteinschloss. Es wurden insgesamt 101.424 kardiovaskuläre Ereignisse erfasst, davon 8.003 bei Frauen mit GDM und 93.421 bei Frauen ohne GDM. Die Stichprobengröße der einzelnen Studien reichte von weniger als 100.000 bis zu mehr als einer Million Frauen, die Follow- up-Dauer von einem bis 25,7 Jahren. Die Studienqualität war insgesamt gut.
 
Kardiovaskuläres Risiko verdoppelt
Nach dem Ergebnis der Gesamtanalyse trugen Frauen mit früherem GDM verglichen mit Frauen ohne GDM ein nahezu doppelt so hohes Risiko relatives Risiko (RR) für das Eintreten eines kardiovaskulären Ereignisses (RR 1,98; 95 %-KI 1,57 - 2,50). Da die Schätzungen der Risikohöhe in den einzelnen Studien recht heterogen war, führten die Autoren eine Sensitivitätsanalyse, beschränkt auf die drei größten Studien mit Daten über 4.101.133 Frauen, durch. Diese bestätigte bei Frauen mit GDM eine kardiovaskuläre Risikosteigerung von über 50 % (RR 1,52; 95 %-KI 1,48 - - 1,56) mit nicht-signifikanter Heterogenität der Daten.
 
Unabhängig vom Diabetesstatus
Das spätere Entwickeln eines Typ-2-Diabetes nahm dabei keinen Einfluss auf das vom GDM übertragene kardiovaskuläre Risiko (p = 0,34). In Übereinstimmung mit diesen Ergebnissen zeigten Sensitivitätsanalysen, die sich auf Frauen ohne nachfolgenden Typ-2-Diabetes beschränkten, dass ein GDM auch ohne Typ-2-Diabetes mit einem um 56 % höheren Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse verbunden war (RR 1,56; 95 %-KI 1,04 - 2,32.
Weitere Analysen zeigten, dass der Unterschied im kardiovaskulären Risiko zwischen Frauen mit bzw. ohne GDM in der ersten Dekade nach der Indexschwangerschaft am höchsten war und dann im Laufe der Zeit abnahm. Die Ergebnisse beeiner Sensitivitätsanalyse mit einer Follow- up-Dauer von weniger als zehn Jahren zeigte, dass ein GDM mit einem 2,3-fachen Anstieg der kardiovaskulären Ereignisse im ersten Jahrzehnt nach der Geburt verbunden war (RR 2,31; 95 %-KI 1,57 - 3,39). Somit sind Frauen mit einem Gestationsdiabetes bereits früher als ihre Altersgenossinnen einem erhöhten kardiovaskulären Risiko ausgesetzt. Im mittleren bis höheren Alter, wenn die Gesamtinzidenz von kardiovaskulären Ereignissen bei Frauen im Gesamten steigt, gleicht sich das Risiko an das der Allgemeinheit an.
 
Frühes Fenster zur Prävention
Die Daten deuten also darauf hin, dass die Diagnose von GDM einen hochriskanten Gefäßphänotyp vor seiner klinischen Präsentation identifiziert. Dementsprechend bietet die Diagnose eines GDM eine einzigartige Möglichkeit zur Früherkennung des drohenden Gefäßrisikos bei einer Gruppe junger Frauen, bei denen kein vorheriger Verdacht besteht. Gleichsam sollte man auch Frauen mit einer Vorgeschichte von GDM, ganz unabhängig davon, ob sie einen Typ-2-Diabetes entwickelt haben oder nicht, als kardiovaskuläre Risikogruppe einstufen.
Quelle: Kramer CK: Gestational diabetes and the risk of cardiovascular... Diabetologia 2019; 62: 905–14
ICD-Codes: O24.4

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