Well Aging

NATUR+PHARMAZIE 2/2020

Gesundes Altern, längeres Leben

Die Lebenserwartung steigt, doch das Altern kann man nicht aufhalten. Deshalb ist der Begriff „Anti-Aging“ eigentlich auch nicht so richtig zutreffend. Es geht ja nicht darum, das Alter zu bekämpfen, sondern vielmehr darum, gesund und glücklich das hohe Alter zu erreichen.
Es herrscht keine klare, einheitliche Definition von „alt“. Die Vereinten Nationen (United Nations) sprechen von „Älteren“, wenn die 60 überschritten wurden. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) gilt man als alt, wenn das 65. Lebensjahr vollendet ist. Von einem geriatrischen Patienten spricht man in Deutschland ab einem Alter von etwa 70 Jahren. Wirtschaftlich betrachtet gehören Rentner zur alten Bevölkerung. Mittlerweile liegt die Lebenserwartung in Deutschland für Männer aktuell ungefähr bei 77 Jahren und für Frauen bei 82 Jahren – Tendenz steigend. Doch ist das lediglich eine Altersangabe – was bedeutet Altern wirklich?
 
Der Begriff des „Alterns“?
Biologisch betrachtet ist Altern ein zentraler Bestandteil des Lebens, ein Prozess, der nicht plötzlich einsetzt, sondern ein Leben lang präsent ist. Es handelt sich also um einen irreversiblen Vorgang, der bereits ab der Geburt einsetzt. In der Geriatrie definiert sich das Altern über Funktionsverlust von Zellen, Geweben, Organen oder Vergreisung und führt schließlich zum Tod. Es existieren Hunderte von Alternstheorien: Theorien, die die Alternsveränderungen und -prozesse beschreiben, und welche, die das Altern auf endogene und exogene Faktoren zurückführen. Bei Letzteren sind UV-Strahlung, Umweltgifte, freie Radikale und die damit verbundenen Schädigungen der DNA von zentraler Bedeutung. Die Effektivität von Antioxidationen spielt dabei für die Reparaturmechanismen eine wichtige Rolle. Weitere Theorien befassen sich mit den genetischen und andere wiederum mit evolutionären Aspekten. Letztlich ist der Zelltod in jeder Zelle bereits verankert.
 
Doch keine Panik!
Das Altern ist ein natürlicher Prozess, der dazugehört und durchaus seine schönen und positiven Seiten hat. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, etwas für den Erhalt der Gesundheit und Schönheit im Alter zu tun. In den vergangenen Jahren wurde der Begriff des Anti-Agings propagiert. Da sich das Altern jedoch nicht aufhalten („anti“) lässt, hat sich ein neuer Begriff etabliert, der der ursprünglich gemeinten Bedeutung viel näher kommt und noch viel mehr relevante Bereiche mit einbezieht: Well-Aging.
 
Was versteht man unter Well-Aging?
Im weitesten Sinne versteht man darunter gesundes und entspanntes Altern, bei dem man sich wohlfühlt. Sinn ist es, geistig vital und körperlich aktiv zu bleiben. Eigentlich ist es schon fast eine Lebensphilosophie, die auf vier wichtigen Prinzipien beruht:
2. Bewegung
3. Entspannung
4. Hautpflege
 
Im Vordergrund sollten immer eine ausgewogene und basische Ernährung sowie eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr mit Wasser, Tees und Fruchtsaftschorlen stehen. Ein übersäuerter Organismus bringt den Körper ins Ungleichgewicht, was zu Abgeschlagenheit, Leistungsschwäche, Konzentrationsstörungen, Schlafstörungen und weiteren Beschwerden führen kann.
 
Superfoods
Sogenannte Superfoods sind Lebensmittel, die einen hohen Anteil antioxidativer Nährstoffe sowie Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente und Omega-Fettsäuren enthalten. Beispielsweise gelten Heidelbeere und Himbeere aufgrund des hohen Anthocyan-Anteils als Superfood. Auch die Acai-, Goji- und Aronia-Beere sowie Chiasamen und Moringa werden aktuell stark gehyped, valide Daten stehen allerdings in einigen Fällen noch aus.
 
Vitamine und Spurenelemente
Unterstützung bieten, neben einer gesunden Ernährung, Nahrungsergänzungsmittel und orthomolekulare Zubereitungen, um eine ausreichende Abdeckung an Vitaminen (z.B. Vitamin B12, E, C, Folsäure, Biotin) und wichtigen Spurenelementen (Zink, Magnesium, Selen etc.) sicherzustellen.
 
Vitamin A
Ein Vitamin-A-Mangel kann sich neben einer verzögerten Hell-Dunkel-Adaption des Auges auch durch trockene Haut und Schleimhäute bemerkbar machen. Die Kosmetikindustrie nutzt diesen Umstand und verwendet daher Retinol in Zubereitungen zur Gesichtspflege.
 
Vitamin B12
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt Jugendlichen und Erwachsenen eine tägliche Aufnahme von 4 μg. Allerdings zählen Vegetarier und Senioren als Risikogruppen einer Unterversorgung. Mehrere Beobachtungsstudien zeigten, dass Alzheimer-Patienten gehäuft über einen unzureichenden Vitamin-B12- Status verfügen. Inwieweit es hier eine Korrelation zwischen Entstehung und Fortschreiten gibt, ist noch nicht belegt; allerdings stehen neuropsychiatrische Ausfallerscheinungen wie Vergesslichkeit und Depression mit einem Vitamin- B12-Mangel in Verbindung. Als gute Vitamin-B12-Quellen stehen Innereien, Muskelfleisch, Fische und Meeresfrüchte sowie Algen zur Verfügung.
 
Ascorbinsäure ist ein bekanntes Antioxidans. Hohe Gehalte finden sich in frischem Obst und Gemüse. Vor allem Sanddorn, Acerola, Paprika und Johannisbeeren sind wahre Vitamin-C-Quellen. In Studien zeigte eine Vitamin-C-reiche Ernährung einen präventiven Effekt auf Herz-Kreislauf- Erkrankungen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt eine tägliche Dosis von 95 bis 110 mg Vitamin C.
 
Vitamin E
Aufgrund seiner antioxidativen Eigenschaften verfügt auch Vitamin E über eine Reihe präventiver Eigenschaften, allen voran die Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen. Doch auch bei bestehenden chronisch-entzündlichen Erkrankungen wie Rheuma konnte gezeigt werden, dass Vitamin E die Radikaleentstehung hemmt; bei Arthrose wurden eine schmerzlindernde Wirkung und eine verbesserte Beweglichkeit beobachtet. Die Studienlage ist allerdings in Teilen widersprüchlich. Hohe Gehalte finden sich in Pflanzenölen, Paprika und fettreichen Milchprodukten. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt eine tägliche Dosis von 12 bis 15 mg Vitamin C.
 
Zink
Zink erfüllt als Antioxidans zahlreiche Funktionen im Körper. Unter anderem ist es an der Kollagensynthese und Wundheilung beteiligt, was es daher zur optimalen „Waffe“ gegen das Altern macht. Hohe Gehalte an Zink finden sich in magerem rotem Muskelfleisch, Innereien, Hartkäse, Hülsenfrüchten, Nüssen und Vollkorn. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt eine tägliche Zufuhr von 7 bis 10 mg. Biotin Biotin, auch Vitamin H genannt, dient zur Verbesserung der Nagelqualität sowie der Haarstruktur und des Hautbilds. Hohe Gehalte finden sich in Innereien, Hefe, Erdnüssen, Eiern und Pilzen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt eine tägliche Zufuhr von 30 bis 60 μg.
 
Entschlackung
Für einen ausgewogenen Säure-Base- Haushalt und zur Aktivierung des Stoffwechsels gibt es einige Präparate auf dem Markt, die Gemüse- und Obstbasen, Zeolith oder basische Pulver enthalten. Zur Entwässerung eignen sich Zubereitungen mit Birkenblättern, Brennnessel, Hauhechelwurzel oder Gartenbohnen sowie Schachtelhalm, Petersilie und Zinnkraut. Bei den Schüßler-Salzen ist zur Entschlackung die Nr. 6 Kalium sulfuricum D6 das Salz der Wahl.
 
Detox
Zur Entgiftung eigenen sich Grüntee, Entschlackungs- und Entgiftungstees, Heilerdepräparate oder Zubereitungen aus grünem Hafertee, die die Ausscheidung von Stoffwechselabbauprodukten fördern. Bei den Schüßler- Salzen ist die Nr. 10 Natrium sulfuricum D6 zur inneren Reinigung und Ausleitung das Salz der Wahl.
 
Pflanzliche Präparate (kleine Auswahl)
Ginkgo-biloba-Produkte werden aus den Blättern des Ginkgobaums hergestellt. Relevante Inhaltsstoffe sind Flavonoide und Terpentrilactone. Flavonoide schützen zum einen vor freien Radikalen und somit vor der Bildung von oxidiertem LDL als Risikofaktor für die Entstehung von Arteriosklerose; Flavonoide senken zum anderen die Konzentration des Gefäßrisikofaktors Lipoprotein (a). Der Extrakt soll darüber hinaus gefäßerweiternd wirken, indem er die Konzentration der Vasodilatatoren cGMP und cAMP erhöht, und somit auch durchblutungsfördernd. Die Ginkgo-Extrakte haben hirnzellschützende Eigenschaften, verbessern die Durchblutung im Bereich der kleinen Gefäße und erhöhen die Sauerstoffversorgung der Zellen. Im Handel erhältlich sind Kapseln, Filmtabletten und Tropfen.
 
Knoblauch
Zubereitungen aus den Knoblauchzwiebeln werden zur Prophylaxe und Behandlung von Arteriosklerose, Fettstoffwechselstörungen oder leichtem Blutdruck eingenommen. Ebenso hat Allium sativum antioxidative, gerinnungshemmende, fibrinolytische und antimikrobielle Eigenschaften.
 
Weißdorn
Aus den Blüten, Blättern und Früchten des Weißdorns (Crataegus monogyna/ oxycantha/laevigata) werden Extrakte gewonnen. Diese stärken das Herz und verbessern die Sauerstoffversorgung des Körpers. Wichtige Inhaltsstoffe sind oligomere Procyanidine und Flavonoide. Die Anwendung sollte über mindestens sechs Wochen erfolgen.
 
Spirulina
Bei Spirulina – korrekterweise Arthrospira platensis – handelt es sich um Cyanobakterien (früher fälschlicherweise als Blaualge bezeichnet). Diese zeichnen sich durch einen hohen Protein- sowie Vitamin-B12-Gehalt aus. Spirulina ist reich an Calcium, Eisen, Magnesium sowie essenziellen Aminosäuren und β-Carotin – die Vorstufe zur Bildung der Vitamine A, B und E. Mögliche Effekte gegen Krebs sind noch unbestätigt. Aber es zeigte sich (allerdings nur in kleinen und noch nicht repräsentativen Studien) eine antiallergische Wirkung durch Senkung der Interleukin-4- und IgE-Spiegel. Der Vitamin-B12-Gehalt scheint relativ hoch, allerdings können hiervon nur bis zu 20 % vom Körper aufgenommen werden.
 
Astaxanthin
Astaxanthin ist ein roter natürlicher Farbstoff aus der Xantophyll-Klasse der Carotinoide, der vor allem von der Blutregenalge Haematococcus pluvialis hergestellt wird. Das Xanthin ist für die Rotfärbung von Krustentieren und Lachsen verantwortlich. Astaxanthin schützt durch seine Eigenschaft als Antioxidans die Haut vor UV-Strahlen und Stress. In Nahrungsergänzungsmitteln sind häufig 4 mg in einer Kapsel, in manchen Produkten auch bis zu 12 mg enthalten.
 
Resveratrol und OPC
Die oligomeren Proanthocyanidine (OPC) sowie Resveratrol sind sekundäre Pflanzenstoffe (Polyphenole) mit antioxidativer Wirkung. Meist werden diese aus Traubenschalenextrakten gewonnen, finden sich aber auch in den roten Häuten von Erdnüssen oder in Kokosnüssen. Möglicherweise wirken sie als Katalysatoren, die die positiven Wirkungen von Vitamin A, C und E verstärken können. Auch wird ihnen ein gewisses Maß an Zellschutz nachgesagt. Allerdings fehlen noch naturwissenschaftlich einwandfreie Beweise. Es existieren noch zahlreiche weitere Präparate und Wirkstoffe, auf die hier aber aus Platzgründen nicht näher eingegangen wird. Fakt ist: Der Beratungsbedarf für diese Produktgruppe wächst.
Kommentar
Es befinden sich zahlreiche pflanzliche Präparate auf dem Markt, die durchaus einen „Anti-Age“-Effekt erzielen können. In Teilen konnten in Studien Wirksamkeitsnachweise erbracht werden, bei anderen wiederum fehlen noch naturwissenschaftlich einwandfreie Beweise. Gerade bei neuen Produkten sollte die Evidenzlage beleuchtet werden.
Quelle: Daniela Mackert: Apothekerin, Medizinjournalistin und Fachredakteurin mackert@pharmawords.de

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