Nicht nur für Zuckerkranke: Neue Empfehlungen für Diabetiker

NATUR+PHARMAZIE 1/2001

Glücklich, wer sein Fett wegkriegt

Was optimale Ernährung angeht, unterscheiden sich Diabetiker kaum vom Rest der Bevölkerung. Denn die Muster der Fehlernährung sind überall gleich: Zu hoher und unausgewogener Fettkonsum, hohe Proteinzufuhr und dürftige Kohlenhydrat-Aufnahme. Die folgende Zusammenfassung der "Ernährungsempfehlungen für Diabetiker 2000" der European Association for the Study of Diabetes (EASD) und der Deutschen Diabetes-Gesellschaft ist deshalb ein Ideal für alle. Die Richtlinien setzen gegenüber dem Vorläuferpapier von 1995 u.a. neue Erkenntnisse über die Rolle der hohen Proteinzufuhr, verschiedener Fettsäuren und antioxidativer Vitalstoffe um.

Die Ernährungstherapie bei Diabetes soll die Blutzuckerkontrolle optimieren und Risikofaktoren für kardiovaskuläre und Nieren-Erkrankungen mindern. Aus diesem Ziel leitet sich als erstes die Notwendigkeit ab, Übergewicht zu reduzieren. Der empfohlene BMI für Erwachsene liegt zwischen 18,5 und 25 kg/m2. Schon eine moderate Gewichtsabnahme verbessert den Blutzuckerverlauf und weitere abnorme Stoffwechselparameter. Als realistisches Ziel soll eine Gewichtsabnahme zehn Kilogramm in drei bis sechs Monaten nicht überschreiten. In der Regel reicht es, weniger energiereiche Lebensmittel zu verzehren, speziell solche mit hohem Fettgehalt. Erst wenn der Gewichtsverlust unter dem anvisierten Ziel bleibt, werden genauere Energievorschriften notwendig. Betont wird in den aktuellen Richtlinien, die Ernährungstherapie müsse mit Empfehlungen zu erhöhter körperlicher Aktivität abgestimmt sein. Diabetiker sollten - wie wir alle - an den meisten Tagen der Woche wenigstens 20 bis 30 Minuten eine moderate körperliche Aktivität ausüben. Mehr Bewegung verbessert die Glukosetoleranz und die Serumlipidwerte, erleichtert die Gewichtskontrolle und erhält die Muskelmasse. Nach wie vor rechtfertigt die hohe KHK-Rate bei Diabetikern die nachdrückliche Empfehlung zur Reduktion gesättigter Fette. Neu ist zum einen der Hinweis, auch die trans-ungesättigten Fettsäuren zu begrenzen. Zum anderen darf der Anteil der Energiezufuhr aus Kohlenhydraten und einfach ungesättigten Fettsäuren variieren - entsprechend klinischen Notwendigkeiten bzw. regionalen oder individuellen Vorlieben (vgl. Kasten). Trans-ungesättigte Fettsäuren haben negative Effekte auf die Lipoproteine (Anstieg von LDL-Cholesterin und Lipoprotein (a), Senkung des HDL-Cholesterins). Sie entstehen bei der Hydrierung ungesättigter Fette und finden sich in einigen Margarinesorten und in industriell hergestellten Back- und Süßwaren, z.B. Keksen, Kuchen und Schokolade. Verbreitete Quellen für cis-einfach ungesättigte Fettsäuren sind z.B. Olivenöl und Rapsöl. Um eine adäquate Aufnahme von Omega-3-Fettsäuren sicherzustellen, empfiehlt sich wenigstens eine Fischmahlzeit pro Woche (vorzugsweise öliger Fisch) sowie der Verzehr von Rapsöl, Sojaöl und Nüssen. Die Eiweißaufnahme soll 10 bis 20 Prozent der Energie ausmachen, da oberhalb dieses Bereichs die Gefahr einer Nephropathie ansteigt. 0,6 g Eiweiß je kg/KG sollen aber nicht unterschritten werden, um einer Mangelernährung vorzubeugen. Die tägliche Cholesterinaufnahme sollte 300 mg nicht überschreiten und bei erhöhtem LDL-Cholesterinspiegel weiter gesenkt werden. Die empfohlenen Relationen der Makronährstoffe untereinander erlauben eine große Spannbreite der Verzehrmengen von Kohlenhydraten (45 bis 60 Prozent der Gesamtenergie) und von Gesamtfett (25 bis 35 Prozent der Energie). Übergewichtige und adipöse Patienten können von der sättigungsfördernden Wirkung einer kohlenhydratreichen Kost profitieren. Empfehlenswerte Kohlenhydratquellen stellen Gemüse, Hülsenfrüchte, Obst und Getreideprodukte dar. Sie sind reich an Ballaststoffen, Spurenelementen und Vitaminen. Diabetiker sollten Lebensmittel mit niedrigem glykämischen Index bevorzugen (z.B. Hülsenfrüchte, Hafer, Nudeln, Parboiled-Reis), da sie zur Verbesserung der glykämischen Kontrolle und der Serumlipidspiegel beitragen können. Es gibt kein Zuckerverbot, die Aufnahme soll aber 10 Prozent der Gesamtenergie nicht überschreiten. Die Ernährungsempfehlungen für Diabetiker schließen erstmals ausdrücklich Lebensmittel ein, die natürlicherweise reichlich antioxidative Nährstoffe (Tocopherole, Carotinoide, Flavonoide, Vita-mine C und E) sowie andere wasser- und fettlösliche Vitamine enthalten. Begründung: Das gestörte Gleichgewicht zwischen Pro- und Antioxidanzien bei Diabetes und die Evidenz, dass gesteigerter oxidativer Stress das kardiovaskuläre Risiko erhöht. Fünf oder mehr Portionen Gemüse, Früchte und Obst werden empfohlen. Besonders tocopherolreich sind Haselnüsse, Pinienkerne und zahlreiche Pflanzenöle (Weizenkeim-, Maiskeim-, Saflor-, Raps- und Sonnenblumenöl). Zitrus- und Hülsenfrüchte, Spinat, Tomaten, Kohl, Kartoffeln und Vollkornbackwaren enthalten Folate, die einem zu hohen Homocysteinspiegel vorbeugen (eigenständiger KHK-Risikofaktor). Alkohol kann günstige wie ungünstige Effekte haben. Er kann hohen Blutdruck und hohe Triglyzeridwerte begünstigen. Sein hoher Energiegehalt (7 kcal/g) fördert den Fettansatz. Andererseits steigert mäßiger Alkoholkonsum das "gute" HDL-Cholesterin, setzt die Blutgerinnung he-rab und mindert die Lipidoxidation. Wichtig: Alkohol senkt den Blutzucker. Insulinpflichtige Diabetiker sollten alkoholische Getränke nur in Verbindung mit kohlenhydrathaltigen Lebensmitteln zu sich nehmen. Dies vorausgesetzt, sind bis zu 15 g Alkohol pro Tag bei Frauen und bis zu 30 g Alkohol pro Tag bei Männern meist akzeptabel. (RS)

Quelle: : Ernährungsempfehlungen für Diabetiker 2000, Zeitschrift: ---, Ausgabe 47 (2000), Seiten: 182

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