„Heilpflanzen und ihre bioaktiven Stoffe bieten enorme Möglichkeiten für die zukünftige medizinische Versorgung der Menschheit – als eine naturbasierte, kostengünstige und effiziente Gesundheitsressource. Aber unser Wissen über sie ist immer noch ausschnitthaft“, erläutert Dr. Spyros Theodoridis vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum Frankfurt und fährt fort: „Von etwa 374.000 bekannten Pflanzenarten sind bislang nur 15 Prozent chemisch analysiert – und gerade einmal sechs Prozent wurden unter pharmakologischen Gesichtspunkten untersucht.“
Die rasanten Entwicklungen auf den Gebieten der Metabolomik – der Erforschung von Stoffwechselprodukten – und Genomik eröffnen nun neue Möglichkeiten für die systematische Analyse bioaktiver Pflanzenstoffe und ihre Einbettung in komplexe Ökosysteme. So konnten zum Beispiel im Genom der Eibe diejenigen Gene identifiziert werden, die für die Synthese des in der Krebstherapie eingesetzten Stoffs Paclitaxel verantwortlich sind.
Neue Anbaukonzepte zur Sicherung der Lebensgrundlage
Gleichzeitig sind hergebrachte – und noch unbekannte – Heilpflanzen durch den Einfluss des Menschen bedroht. Bewährte Gewächse wie der Sideritis, als Griechischer Bergtee unter anderem bei Erkältungen angewendet, stehen durch übermäßiges Sammeln vor dem Aussterben. Für Tausende Menschen in den Ländern des Balkans stellt Sideritis-Sammeln derzeit allerdings die einzige Lebensgrundlage dar. Hier müsste die lokale Bevölkerung in die Entwicklung nachhaltiger, natürlichen Ökosystemen nachempfundener Anbaukonzepte einbezogen werden.
Zusammenarbeit auf allen Ebenen gefordert
Am Beispiel von Europa haben die Forschenden eine Reihe von Indikatoren entwickelt, um das medizinische und sozioökonomische Potenzial von Ökosystemen sowie deren mögliche Gefährdung für verschiedene Gebiete zu erfassen. Hier stechen die Mittelmeerregion und polarnahe Gebiete besonders hervor. „Unser Ziel ist es, Anstöße für die transdisziplinäre globale Erforschung von medizinischen Pflanzen zu geben. So können wir in der Zukunft nicht weniger als eine nachhaltige Transformation der weltweiten Gesundheitsversorgung erreichen und die ‚medizinische Biodiversität‘ für kommende Generationen sichern,“ fasst Theodoridis zusammen.
Pflanzen als Vorbild für 50 % der Medikamente
Seit Jahrtausenden vertrauen Menschen auf die heilende Wirkung von Pflanzen – an manchen Orten sind sie noch heute das einzige frei verfügbare Heilmittel. Die Hälfte der in den letzten vier Jahrzehnten weltweit zugelassenen Medikamente basiert auf den Inhaltsstoffen medizinischer Pflanzen oder wurde nach ihrem Vorbild entwickelt. Das traditionelle Schmerzmittel Morphium wird beispielsweise aus Schlafmohn gewonnen und die Salicylsäure für Aspirin kommt als Pflanzenhormon in der Rinde von Weidenbäumen vor.
Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Spyros Theodoridis
Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum
Tel.: +49 69 7542 1853, spyros.theodoridis@senckenberg.de
Prof. Dr. David Nogués Bravo
Center for Macroecology, Evolution and Climate
Universität KopenhagenClimate
Tel.: +45 3532 1258, dnogues@sund.ku.dk