Wechselwirkung

NATUR+PHARMAZIE 2/2020

Immunsuppressiva und Arzneipflanzen

Werden bei Patienten unter Immunsuppression ein paar Aspekte berücksichtigt, steht einer gemeinsamen Anwendung vielfach nichts im Wege. Im Idealfall können auf diese Weise Nebenwirkungen und die erforderliche Medikamentendosis sogar reduziert werden. Doch hierzu ist die Kenntnis möglicher Interaktionen unerlässlich.
Fachinformationen von Medikamenten enthalten vielfach nur wenige Angaben zu Interaktionen mit Phytotherapeutika. Werden bei Patienten unter Immunsuppression ein paar Aspekte berücksichtigt, steht einer gemeinsamen Anwendung vielfach auch nichts im Wege. Im Idealfall können auf diese Weise Nebenwirkungen und die erforderliche Medikamentendosis in Absprache mit dem Arzt sogar reduziert werden. Doch hierzu ist die Kenntnis möglicher Interaktionen unerlässlich.
 
CYP3A4-Induktoren
Die im Hinblick auf mögliche pharmakokinetische Interaktionen wohl am besten untersuchte Droge ist das Johanniskraut (Hyperici herba), das ebenso wie beispielsweise Ginkgo (Ginkgo folium), Helmkraut (Scutellariae herba), Rhabarber (Rhei radix) oder Süßholz (Glyzyrrhizae radix) CYP3A4 induziert. Bei einer gemeinsamen Anwendung dieser Drogen mit Apremilast, Ciclosporin, Everolimus, Sirolimus oder Tacrolimus wurde bereits eine Wirkungsminderung der Arzneistoffe beobachtet, sodass von einer Koadministration abgeraten wird. Ähnliche Effekte sind von einer Kombination mit Fingolimod, Glucocorticoiden oder Teriflunomid zu befürchten. (1-7)
 
Erhöhte Plasmaspiegel
Umgekehrt können CYP3A4-Inhibitoren die Plasmaspiegel der genannten Wirkstoffe erhöhen. Bekannt ist eine entsprechende Interaktion mit Grapefruit oder dem in der Berberitze enthaltenen Berberin. Andere pflanzliche CYP3A4- Inhibitoren sind etwa der Hanf (Cannabis sativa), die Kamille (Chamomillae flos) oder Resveratrol. Erhöhen diese Drogen die Bioverfügbarkeit der Wirkstoffe, besteht ein erhöhtes Risiko für unerwünschte Wirkung. Im Falle einer systemischen Anwendung von Tacrolimus ist daher gegebenenfalls eine strenge Überwachung der Patienten erforderlich, weil die therapeutische Breite des Arzneistoffs gering ist und die Gefahr einer Verlängerung der QT-Zeit besteht. Dies gilt in diesem Fall auch für die Kombination mit Curcuma (Curcumae rhizoma) oder Ingwer (Zingiberis rhizoma). Ferner können Süßholz, grüner Tee, Rhabarber und Drogen mit einem hohen Gehalt an Polyphenolen die Bioverfügbarkeit von Methotrexat steigern. Polyphenole modulieren die Effluxtransporter MRP2 und BCRP, Rhabarberwurzel hemmt MRP2. Es ist ein Fall einer Methotrexat- Intoxikation bei einer Psoriasis- Patientin im Anschluss an die Aufnahme einer Begleittherapie mit Rotklee (Trifolii flos) dokumentiert, den die Frau gegen ihre Hitzewallungen einnahm. (1-4, 8-11)
 
Beispiel Everolimus
Bisher sind mögliche Interaktionen von Arzneipflanzen und Medikamenten vielfach noch unzureichend untersucht. Viele Daten stammen aus Untersuchungen im Labor oder Tierversuchen, Humanstudien stehen in den meisten Fällen noch aus. Zudem sind sie vielfach dosisabhängig. Für Everolimus sind neben Interaktionen mit Johanniskraut (Hyperici herba) etwa Wechselwirkungen mit Kamille, Löwenzahn (Taraxaci radix cum herba), Myrrhe (Commiphora myrrha), Pfefferminze (Menthae folium), Orangenextrakten bzw. Orangensaft und rotem Wein (Vitis vinifera) bekannt. (4)
 
Resorptionshemmer: zeitlicher Abstand erforderlich
Neben der Metabolisierung kann durch Arzneipflanzen die Resorption von Immunsuppressiva beeinträchtigt sein. Deshalb sollte zu Phytotherapeutika mit einem hohen Gehalt an Mineralstoffen ein Mindestabstand von zwei bis vier Stunden eingehalten werden, wenn eine gemeinsame Anwendung mit Betamethason, Chloroquin, Dexamethason, Hydroxychloroquin, D-Penicillamin, Methylprednisolon, Prednison oder Sulfasalazin geplant ist. Insbesondere die Bestandteile chinesischer Rezepturen sollten diesbezüglich überprüft werden. Chloroquin sowie Leflunomid, Methotrexat, Sulfasalazin und Teriflunomid sollten zudem nicht mit absorbierend wirkenden Drogen kombiniert werden, da Kaolin seine Resorption hemmt. Deshalb sollte zum Beispiel ein ausreichender zeitlicher Abstand zu Schleimdrogen wie Eibisch (Althaeae radix), Flohsamen (Psyllii semen) oder Leinsamen (Lini semen) eingehalten werden. Orangenschalen (Citri auranthii pericarpium), Cordyceps und Ingwer (Zingiberis rhizoma) konnten wiederum die Aufnahme von Ciclosporin beeinträchtigen. (1, 2, 12, 13)
 
Additive Effekte der Nebenwirkungen vermeiden
Unter den bekannten unerwünschten Wirkungen von einzelnen Immunsuppressiva sollten insbesondere eine Verlängerung der QT-Zeit, eine Hypokaliämie, eine Hypoglykämie, eine Rhabdomyolyse sowie Leber- und Nierenschäden vermieden werden. Deshalb sollten entsprechend wirkende Arzneipflanzen nicht mit Wirkstoffen kombiniert werden, die ein solches Nebenwirkungspotenzial haben. Chloroquin, Hydroxychloroquin, Tacrolimus und Triamcinolon können die QT-Zeit verlängern und sollten daher unter anderem nicht mit Herzgespann (Leonuri herba), Passionsblume (Passiflorae herba), Rosenwurz (Rhodiolae rhizoma) oder Weißdorn (Crataegi folium cum flore) kombiniert werden. Folge einer Behandlung mit Chloroquin, Hydroxychloroquin oder Tacrolimus kann auch eine Hypoglykämie sein, weswegen antidiabetisch wirkende Arzneipflanzen vermieden werden sollten. (1, 2, 12, 13) Da Glucocorticoide die Elimination von Kalium stimulieren, sollten sie nicht gemeinsam mit Aloe-Extrakten, Faulbaumrinde (Frangulae cortex), Rhabarber, Sauerampfer (Rumicis acetosae herba) oder Krausem Ampfer (Rumicis crispi radix) zum Einsatz kommen. Auch anticholinerg wirkende Arzneipflanzen wie die Chinarinde (Cinchonae cortex) sollten vermieden werden, damit der Augeninnendruck nicht zusätzlich ansteigt. (1, 2, 12, 13)
Ein erhöhtes Risiko für eine Rhabdomyolyse besteht im Falle einer Kombination von Ciclosporin, Everolimus, Leflunomid oder Teriflunomid, wenn diese mit Rotem Reis (Monascus purpureus) kombiniert werden, der bekanntlich mit Monacholin K Lovastatin enthält. (1, 2, 12, 13)
 
Patientensicherheit geht vor
Sofern eine gemeinsame Anwendung von Arzneipflanzen und Medikamenten nicht kontraindiziert ist, sollten Patienten unbedingt über ein eventuell bestehendes Interaktionspotenzial aufgeklärt werden. Nur so können sie diese gegebenenfalls erkennen und auf erste Hinweise umgehend reagieren. Einen schnellen Überblick zur aktuellen Datenlage erhält man immer durch eine Recherche unter https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/
Quelle: Sabine Ritter: Apothekerin, Heilpraktikerin und Medizinjournalistin. www.ritter-tcm.de Literatur bei der Autorin
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