Allergiegefährdet?

NATUR+PHARMAZIE 4/2000

Kein Grund, nicht zu impfen!

Allergien sind auf dem Vormarsch. Zur Ursache des Phänomens kursieren die verschiedensten Theorien und Modelle. Neben Lebens- und Umweltbedingungen geraten auch Impfungen ins Visier der Ursachenforscher. Zudem ist bei Personen mit einer manifesten, nachgewiesenen Allergie zu fragen, ob nicht bestimmte Impfstoffe eine allergische Reaktion auslösen können. Über Zusammenhänge zwischen Impfungen und Allergien befragte die Apotheken-Depesche Impfexpertin Dr. med Ute Quast.

AD: Frau Dr. Quast, können Allergiker durch Impfungen gefährdet werden? Dr. med. Ute Quast: Grundsätzlich vertragen die meisten allergischen Personen Impfungen komplikationslos. Bei Berichten über angeblich allergische oder gar anaphylaktische Reaktionen fehlt fast immer die genaue Differenzialdiagnose. Nur in Einzelfällen führt eine bestimmte Allergie in Verbindung mit einer bestimmten Zusammensetzung des Impfstoffes zu Komplikationen. Welche Konstellationen sind dies? Vorsicht ist bei Patienten mit nachgewiesener schwerer Hühnereiweiß-Allergie geboten: Die Gelbfieber- und die Influenza-Impfung sollten bei ihnen gar nicht oder nur unter entsprechenden ärztlichen Sicherheitsmaßnahmen verabreicht werden. Diese Impfstoffe werden auf Hühner-embryonen (Gelbfieber) bzw. auf Hühnerallantois (noch Influenza) gezüchtet, so dass in sehr seltenen Einzelfällen Reste dieses Kulturmediums zu systemischen allergischen oder anaphylaktischen Reaktionen führen können. Für Impfstoffe, die auf Hühnerfibroblasten-Zellkulturen ("PCEC-Impfstoffe") gezüchtet werden - wie die Masern- und Mumps- oder die FSME- und Tollwut-Impfstoffe - besteht keine Kontraindikation. Abgesehen von diesen Gegenanzeigen: Vertragen Allergiker Impfungen schlechter als andere Personen? Da Allergiker oft einen erhöhten IgE-Blutspiegel haben und zu starken Histamin-Ausschüttungen - auch nach unspezifischen Hautreizen - neigen, ist es nicht verwunderlich, dass sie gelegentlich überschießende Reaktionen nach Injektionen, also auch nach Impfungen zeigen. Diese Reaktionen beschränken sich jedoch im Allgemeinen auf vermehrte und etwas länger anhaltende Lokalreaktionen wie Rötung, Schwellung, Juckreiz und leichte Schmerzen an der Impfstelle. Sie sind keinesfalls ein Grund, einen Allergiker nicht zu impfen. Man sollte den Impfling allerdings darauf hinweisen, dass bei ihm eventuell eine etwas stärkere Impfreaktion auftreten kann. Unterscheiden sich Impfstoffe in der Verträglichkeit für Allergiker ? Impfstoffe mit einem etwas größeren Gehalt an Antigenen oder Begleitstoffen und solche, die länger am Impfort verbleiben, verursachen etwas stärkere Lokalreaktionen. Es ist also nachvollziehbar, wenn Allergiker stärker auf Totimpfstoffe reagieren als auf Injektionen mit Lebendimpfstoffen. Welche Bestandteile kommen in Impfstoffen als potenzielle Allergene in Frage? Grundsätzlich kommen in Frage: das Impfantigen selbst, nicht vermeidbare Reste des Kulturmediums, Hilfsstoffe bei der Herstellung des Impfstoffes sowie Konservierungsmittel und Stabilisatoren. Alle diese Stoffe sind jedoch in so geringer Dosis im Impfstoff enthalten, dass sie nur extrem selten allergische Reaktionen verursachen - die Hühnereiweißallergie ist die krasse Ausnahme. In aller Regel bleibt es bei gelegentlich en, zwar lästigen, aber nicht gefährlichen Reaktionen an der Injektionsstelle. Am ehesten kommt als Allergen für solche Reaktionen noch das Konservierungsmittel Merthiolat (Thiomersal) in Frage. Einige Hersteller bringen deshalb bereits Konservierungsmittel-freie Impfstoffe auf den Markt. Weg von den Personen mit diagnostizierter Allergie. Können Impfstoffe die Ausbildung von Allergien fördern, etwa bei Kleinkindern, die als allergiegefährdet gelten, weil Ihre Eltern Allergiker sind? Es gibt keine prospektiven Untersuchungen zur Allergie-Auslösung bei Kindern, weder bei solchen aus Allergiker-Familien noch bei anderen. Es gibt aber eine sehr umfangreiche retrospektive Studie des Landesgesundheitsamtes Brandenburg zur Verträglichkeit von MMR-Impfstoffen: Hier wurden standardisiert alle Eltern von etwa 25000 Einschulkindern befragt, ob ihr Kind unter Neurodermitis, allergischer Rhinitis oder Asthma bronchiale leidet und ob es gegen Masern, Mumps und Röteln geimpft wurde. Dabei zeigte sich sehr eindeutig, dass geimpfte Kinder etwa ein Drittel weniger allergische Krankheitssymptome aufwiesen als ungeimpfte! Die oft geäußerte These, dass die MMR-Impfung später zu gehäuften allergischen Affektionen führe, dürfte damit eindeutig widerlegt sein.

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