- Laktat-Produktion: Die vaginalen Laktobazillen (Lactobacillus crispatus, L. iners, L. gasseri und L. jensenii) nutzen das Östrogen- abhängig in der Vagina abgelagerte Glykogen, um Laktat herzustellen. Der vaginale pH wird dadurch auf 3 bis 4,5 gesenkt, was andere Bakterienspezies am Wachstum hindert. Zudem schützen Laktobazillen vor einer Fremdbesiedlung, indem sie Bakteriozine produzieren und die Bindung anderer Mikroorganismen an die vaginalen Epithelzellen verhindern. Zwar können vaginale Epithelzellen auch selbst in geringerem Maße Laktat produzieren, doch stellen nur Laktobazillen das D-Isomer der Milchsäure her. D-Laktat setzt die Produktion der Matrix-Metalloproteinase MMP-8 herab, welche den Zervixschleimpfropfen abbaut, der das Eindringen von Bakterien in den oberen Genitaltrakt verhindert.
- Förderung von Gentranskription und DNA-Reparatur: Laktat inhibiert die Aktivität der Histon-Deactylase. Infolge wird die Acetylierung der Histone an der DNA verstärkt, und damit die Gentranskription angekurbelt. Auf diese Weise könnten ansonsten blockierte Gene aktiviert werden, die das angeborene Immunsystem stärken. Die Histon- Acetylierung trägt vermutlich auch zu einer verbesserten DNA-Reparatur bei. Dies konnte in verschiedenen Zervixkarzinom-Zelllinien bereits nachgewiesen werden. Dieser protektive Mechanismus könnte die Vaginalregion vor äußeren Einflüssen, allen voran beim Spermienkontakt, vor zellschädigenden Substanzen und Pathogenen schützen.
- Autophagie: Die intrazelluläre Laktat-Akkumulation wirkt hemmend auf die Produktion von cAMP, wodurch Autophagie-Prozesse gefördert werden. Intrazelluläre Pathogene können auf diese Weise von den vaginalen Epithelzellen eliminiert, die Zellen vor oxidativem Stress durch defekte Mitochondrien geschützt und dysfunktionale Proteine beseitigt werden.
- Verbesserte Immuntoleranz: In der Schwangerschaft ist die Immuntoleranz erhöht. Dies bedeutet, dass eine Invasion mit Pathogenen gemindert oder verhindert werden kann, ohne proinflammatorische Abwehrreaktionen auszulösen. Einen Beitrag dazu leistet auch die schützende Wirkung der Laktobazillen, deren Proliferation in der Schwangerschaft durch die vermehrte Östrogenausschüttung selektiv hochreguliert wird. Neuen Daten zufolge wird durch das Laktat auch Chlamydia trachomatis inaktiviert und das HI-Virus gehemmt.
Warum nur der Mensch diese einzigartige Form der vaginalen Laktobazillen-Besiedlung aufweist, ist weitgehend ungeklärt. Wahrscheinlich liegt dies im menschlichen Sexualverhalten begründet. Anders als die meisten Säugetiere hat der Mensch auch außerhalb der Ovulation und auch während der Schwangerschaft Geschlechtsverkehr. Folglich gerät die vaginale Flora ausgesprochen häufig in Kontakt mit männlichem Ejakulat, das vom weiblichen Organismus als Fremdkörper eingestuft wird. Damit sich keine Antikörper gegen die Spermatozoen bilden, was die weibliche Fertilität kompromittieren könnte, ist eine hohe Immuntoleranz notwendig. Zudem könnte die Laktat-haltige Flora die immunsuppressiven Eigenschaften der Samenflüssigkeit ausgleichen. Möglich ist auch, dass Männer aufgrund des menschlichen Sexualverhaltens mit Mikroorganismen besiedelt sind, die bei anderen Primaten nicht vorkommen. Die Vaginalflora der Frau könnte sich als spezifischer Schutz gegen diese Exposition entwickelt haben. OH