Alter, Stress und kardiovaskuläre Gesundheit

Naturmedizin 4/2019

Stress verursacht epigenetische Alterung und erhöht das Herzinfarktrisiko

Ein fortgeschrittenes Lebensalter und psychosozialer Stress sind mit einem erhöhten Krankheitsrisiko und verstärkten Entzündungsprozessen verbunden. Doch welche molekularen Mechanismen sind dafür verantwortlich? Bestimmte epigenetische Veränderungen konnten nun entschlüsselt werden. Je mehr Stress Menschen im Laufe ihres Lebens haben, desto schneller schreitet die epigenetische Alterung voran und desto höher ist das Herzinfarktrisiko.
Das fortschreitende Lebensalter ist der wichtigste Risikofaktor für verschiedene Krankheiten und die Hauptursache für Morbidität und Mortaliät. Dennoch ist es so, dass gleichaltrige Menschen extrem unterschiedliche Risiken haben, altersbedingte Veränderungen zu entwickeln. Verschiedene Studien haben schon gezeigt, dass psychosoziale Stressoren zu den eindeutig wichtigsten Einflussfaktoren gehören. Durch Traumata und stressbedingte psychiatrische Störungen erhöht sich das Risiko für altersbedingte Erkrankungen, insbesondere für kardiovaskuläre Ereignisse.
 
Epigenetische Veränderungen
Schon Stress im Kindesalter hat Einfluss auf die epigenetische Alterung und damit verbundene Krankheiten. Im Fachjournal PNAS veröffentlichten Anthony S. Zannas und seine Kolleginnen und Kollegen jüngst neueste Studienergebnisse zu dem Thema. Sie konnten den Zusammenhang zwischen stress- und altersbedingten epigenetischen Veränderungen und dadurch bedingte Veränderungen des Immunsysstems deutlich machen. Diese spezifischen Veränderungen des Immunsystems führen zu entzündlichen Prozessen, die entscheidend bei kardiovaskulären Erkrankungen sind. Durch viel psychosozialen Stress – in allen Lebensphasen – erfolgt eine schnellere epigenetische Alterung der Gene, die das Immunsystem regulieren. Das Herzinfarktrisiko steigt. Besonders deutlich wurde der Zusammenhang bei frühkindlichen Traumen, nachfolgenden Depressionen und Herzinfarkt.
 
Stress, Immunsystem und Herzinfarkt
Daten von über 3.000 Teilnehmenden im Alter zwischen 18 und 87 Jahren beiderlei Geschlechts wurden für die Studie ausgewertet. Aus den Untersuchungen ging hervor, dass Stress und Alterungsprozesse die Methylierung des Gens FKBP5 reduzieren. Die Folge: Das an der Stressphysiologie beteiligte Protein wird durch diesen Prozess stärker abgelesen.
Es zeigte sich außerdem: Patienten, die einen Herzinfarkt erlitten haben, zeigen genau die epigenetischen Veränderungen, die durch vermehrten Stress und den dadurch beschleunigten Alterungsprozess entstehen. Die Wissenschaftler untersuchten den umgekehrten Effekt auf Zellebene. Durch die Hemmung bzw. Löschung von FKBP5 in Immunzellen konnte die Reaktion auf das Immunsystem verhindert werden.
 
Neue Risikomarker und Behandlungsansätze
Die durch Stress und Alterungsprozesse entstandenen genetischen Veränderungen beschleunigen Entzündungsprozesse – und könnten dadurch eine entscheidende Rolle bei der Entstehung kardiovaskulärer Erkrankungen spielen. Die epigenetischen Modifikationen und Immunveränderungen könnten als Biomarker dienen und ein erhöhtes kardiovaskuläres Erkrankungsrisiko aufdecken, so die Hoffnung der Autoren. Auch neue Behandlungsansätze für stressbedingte Erkrankungen könnten aus den Erkenntnissen hervorgehen.
Quelle: Zannas AS et al.: Epigenetic upregulation of FKBP5 by aging and stress contributes to NF-kBdriven inflammationand cardiovascular risk. Proc Nati Sci U S A; 2019. 116(23): 11370-79

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