Ist das Volksleiden Arthrose besiegbar?

Praxis-Depesche 8-9/2019

Therapien jenseits der Schmerzlinderung

Im Alter gehört die Arthrosis deformans zu den häufigsten Gesundheitsproblemen. Konventionelle Schmerzmedikamente können die Beschwerden begrenzt lindern. Gegen die fortschreitende Degeneration von Knorpel und Knochen richten sie nichts aus. Neue Ansätze erwachsen aus dem tieferen Verständnis der Pathophysiologie.
Eine internationale Arbeitsgruppe rekapitulierte die konventionellen Behandlungsoptionen und skizzierte auf der Pathophysiologie aufbauende, mehr oder weniger kurative Therapieansätze.
 
Begrenzte Hilfe
Paracetamol wird in allen Leitlinien als Schmerzmittel der ersten Wahl empfohlen. Es hemmt die Enzyme COX-1, COX-2, und COX-3, wodurch es Schmerz und Fieber dämpft. In hohen Dosen (< 3.000 mg/d) besteht die Gefahr von Leberschäden.
NSAR werden häufig eingesetzt, wenn Paracetamol nicht hilft. Sie wirken analgetisch, antipyretisch und antientzündlich. Angesichts ihrer Nebenwirkungen sollten sie nur für kurze Zeit eingesetzt werden. Auch die etwas besser verträglichen selektiven COX-2-Hemmer sind nicht ohne Risiko.
Opioide kommen in Betracht, wenn Paracetamol oder NSAR nicht wirken oder kontraindiziert sind. Sie werden aber relativ häufig wegen Unverträglichkeit wieder abgesetzt. Dazu kommt das Suchtrisiko.
SNRI verbessern die Balance zwischen Serotonin und Norepinephrin in zentralen Schmerzbahnen. Duloxetin ist wirksam u. a. gegen Arthrose-Schmerzen. Zu den Nebenwirkungen gehören Magen-Darm-Probleme, sexuelle Dysfunktion, Fatigue und Somnolenz.
Intraartikuläre Steroide entfalten schnell antientzündliche und immunsuppressive Wirkungen. Die Daten zur Schmerzlinderung und Funktionsverbesserung sind aber inkonsistent. Nebenwirkungen können Schmerzen an der Injektionsstelle, Flush, septische Arthritis und das Tachon-Syndrom sein.
Vitamin D ist wichtig für den Knorpel- und Knochenstoffwechsel. Ob es bei Arthrose schmerzlindernd wirkt, ist noch unklar.
Glucosamin und Chondroitinsulfat werden seit Jahren bei Arthrose eingesetzt. Sie sind Bestandteile des Knorpels und sollen dessen Degeneration aufhalten. Über eine Verzögerung der radiologischen Progression der Arthrose wurde berichtet.
Auch Antioxidanzien sollen in die Pathogenese der Arthrose eingreifen, den Schmerz lindern und zu einer besseren Gelenkfunktion führen. Auf Wechselwirkungen sollte jedoch geachtet werden.
 
Neue Ansätze
Krankheitsmodifizierende Substanzen sollen mehr leisten als die konventionellen Medikamente. Ansatzpunkte vielversprechender Biologika sind der Knorpelstoffwechsel, das Knochen-Remodeling und die Synovialis-Entzündung.
  • BMP-7 (bone morphogenetic protein 7) wurde von der FDA zur Therapie nicht heilender Frakturen und bei der Wirbelfusionstherapie zugelassen. BMP-7 steigert die Synthese von Knorpelbestandteilen. In einer Phase-1-Studie besserten sich damit Schmerzen und Funktion bei Arthrose.
  • FGF-18 (fibroblast growth factor 18) in rekombinanter Form (Sprifermin) bewirkt bei i.a.-Gabe eine Zunahme der Knorpeldicke, wie eine Phase-2-Studie zeigte.
  • Eine HSA-Fraktion (humanes Serumalbumin), als Medikament erhältlich, ist antientzündlich aktiv und lindert Arthrose-Schmerzen. Es ist gut verträglich, muss aber noch weiter getestet werden.
  • IL-1-Hemmer (u. a. Anakinra) verhinderten im Tierversuch die Entwicklung einer induzierten Arthrose. In klinischen Studien konnte dieser Effekt allerdings nicht bestätigt werden.
  • MEPE (matrix extracellular phosphoglycoprotein) soll der subchondralen Knochenverdickung bei Arthrose entgegenwirken. In klinischen Studien fand man eine subjektive Verbesserung, aber keine mit MRI nachweisbaren Effekte.
  • PTH/PTHrP (Parathormon und sein Analogon) regulieren das Knorpelwachstum. Man verspricht sich damit eine chondroregenerative Therapieoption.
  • Inhibitoren von TGF-ß (transforming growth factor ß) zeigten im Tierversuch eine gelenkprotektive Wirkung. Sie muss am Menschen erst bestätigt werden.
  • RORa (retinoic acid-related orphan receptor alpha) wirkt im Zusammenspiel mit Cholesterin knorpeldestruktiv. Ein inverser Agonist des Rezeptors (SR3335) schützte im Tierversuch. Hier zeichnet sich ein weiterer Ansatzpunkt für eine krankheitsmodifizierende Therapie der Arthrose ab. WE
Quelle: Zhang W et al.: Emerging trend in the pharmacotherapy of osteoarthritis. Front Endocrinol 2019; 10: 431
ICD-Codes: M19.9

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