Phytotherapie: Indikationen, subjektive Wirksamkeit und Sicherheit

NATUR+PHARMAZIE 4/2020

Verwendung pflanzlicher Mittel bei deutschen Kindern

Erkältungen, Fieber, Hauterkrankungen – Eltern suchen häufig nach wirksamen aber gleichzeitig risikoarmen Arzneimitteln. Eine aktuelle Studie einer deutschen Forschergruppe untersuchte jetzt, wie häufig zu pflanzlichen Mitteln gegriffen wird, welche Indikationen die häufigsten sind und wie die Wirksamkeit und Sicherheit wahrgenommen wird.
Nieber et al. stellen in ihrem Studienbericht einleitend dar, dass immer mehr Eltern pflanzliche Arzneimittel- Produkte verwenden – zur Erhaltung der Gesundheit ihrer Kinder und zur Behandlung ihrer Krankheiten. In Deutschland haben diese Mittel als registrierte Medizin-Produkte eine der längsten Traditionen weltweit. Ungefähr 85 % der deutschen Kinder erhalten ein oder mehrere pflanzliche Arzneimittelprodukte pro Jahr. Eltern suchen häufig Rat bei Kinderärzten, Hausärzten oder Apothekern zur Sicherheit und zur therapeutischen Wirkung von pflanzlichen Arzneimitteln für Kinder. Eine evidenzbasierte Beratung ist jedoch oft schwierig, weil klinische Studien zu pflanzlichen Arzneimitteln bei Kindern häufig Fragen zu Wirksamkeit, Sicherheit und Nebenwirkungen offen lassen. In der Pädiatrie ist allgemein die Verfügbarkeit von Daten aus klinischen Studien begrenzt, aber insbesondere zu pflanzlichen Arzneimitteln. Um diese Lücke zu schließen haben Nieber et al. 2.063 Datensätze einer pädiatrischen Stichprobe der PhytoVISDatenbank ausgewertet.
 
Methode und Ergebnisse
Durch ein Screening der pädiatrischen Daten, wurden Informationen zu Indikation, Geschlecht, Behandlung, Co- Medikation und Verträglichkeit bewertet. Von den 2.063 Patienten waren 254 unter 2 Jahren (12,3 %), 473 im Alter von 2 bis 5 Jahren (22,9 %), 551 von 6 bis 11 Jahre (26,7 %) und 785 zwischen 12 und 17 Jahren (38,1 %).
Die Evaluation der Geschlechterhäufigkeit ergab eine nahezu gleichmäßige Verteilung (männlich, 52 % gegenüber weiblich, 48 %). Interessanterweise wurden im unteren Altersbereich (0 bis 11 Jahre) mehr männliche Patienten mit pflanzlichen Arzneimitteln behandelt, während bei den Jugendlichen (12 bis 17 Jahre) die weiblichen deutlich überwogen.
Die Mehrheit der Patienten (67,7 %) wurde wegen Erkältung und Fieber behandelt, 13,6 % aufgrund von Verdauungsbeschwerden, 4,9 % wegen Hauterkrankungen, 3,5 % wegen Schlafstörungen und Angstzuständen sowie 10,3 % wegen anderer Beschwerden.
Bemerkenswerterweise nahm die Einnahme von pflanzlichen Mitteln mit dem Alter zu und zeigte ein Maximum bei Jugendlichen. Eine Co-Medikation wurde bei 24,9 % der Patienten dokumentiert.
Der wahrgenommene Effekt der Therapie wurde in 48,4 % der Fälle als „sehr gut“ bewertet, „gut bis mäßig“ bei 36,8 %, „bescheiden“ bei 10,8 % und „fehlt“ in 4,0 %. Bei 93,7 % traten keine Nebenwirkungen auf. Nur 0,8 % aller Patienten berichteten über eine deutliche Beeinträchtigung aufgrund von Nebenwirkungen. Die Verträglichkeit schien sich zwischen den Altersgruppen nicht zu unterscheiden.
 
Schlussfolgerung
Die Daten erhellen ein bisher vernachlässigtes Gebiet der Phyto-Pharmakotherapie durch Informationen über die Verwendung von pflanzlichen Arzneimitteln in einer nicht ausgewählten Kohorte pädiatrischer Patienten.
Die Ergebnisse bestätigen die guten klinischen Wirkungen und die Sicherheit pflanzlicher Arzneimittel bei dieser Patientenpopulation und zeigen, dass sie in Deutschland weit verbreitet sind.
Quelle: Nieber K et al.: Pharmaco-epidemiological research on herbal medicinal products in the paediatric population: data from the PhytoVIS study. 2020. Eur J Pediatr. 2020;179(3):507-512. doi:10.1007/s00431-019-03532-3

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