Hypercholesterinämie

NATUR+PHARMAZIE 2/2015

Ab welchem Alter ist es für Statine zu spät?

Neue US-amerikanische Leitlinien zur Statingabe haben die Diskussion um das Management der Hypercholesterinämie neu angefacht. Eine besondere Situation liegt bei alten Patienten vor. Haben sie das Risiko einer koronaren Herzkrankeit schon hinter sich gelassen? Studiendaten zu dieser Frage sind ziemlich dünn gesät.

Senioren haben heutzutage noch eine Lebenserwartung, die früher undenkbar war. Man ermittelte in 2010, dass ein 80-jähriger Ungar im Mittel noch 6,3 Jahre, ein Grieche noch 8,7 Jahre vor sich hat. Bei einer 80-jährigen Slowakin sind es 6,9 und bei einer Spanierin oder Schweizerin 10,6 Jahre. Lebensqualität und geistige Fitness halten dabei oft durchaus mit.
Der Tod durch Koronarsklerose ist bei jüngeren Semestern neuerdings seltener geworden; dadurch bleiben aber auch mehr ältere mit KHK länger am Leben. Manifestationen der Atheriosklerose (dazu können auch Demenz und Gebrechlichkeit gehören) werden aber in hohem Alter öfter nicht als solche identifiziert.

Der Gesundheitszustand im Alter über 80 ist sehr heterogen – das Spektrum reicht vom invaliden Heimbewohner bis zum Marathonläufer. Eine kardiovaskuläre Prävention kann ineffektiv sein, wenn sie zu spät begonnen wird, oder wenn der Patient nur ein geringes KHK-Risiko hat (dann erlebt er den Nutzen nicht mehr).

Das Cholesterin-Paradoxon

Eine finnische Arbeitsgruppe sichtete die aktuellen Erkenntnisse zu diesem Thema, einschließlich der jüngsten ACC/AHA-Guidelines. Als unumstößlich gilt heute die Tatsache, dass das LDL-Cholesterin die stärkste Triebfeder des kardiovaskulären Risikos ist. Pointiert lautet die Erkenntnis: Man kann das LDL-C gar nicht zu tief senken. Heute gelingt das medikamentös um bis zu 84% bzw. auf Werte unter 50 mg/dl. Belegt ist auch, dass niedrige Werte von HDL-Cholesterin (HDL-C) und hohe Triglyzeride mit dem KHK-Risiko korrelieren; es konnte aber nie belegt werden, dass eine medikamentöse Korrektur von Nutzen ist. Die Assoziation zwischen (Gesamt-)Cholesterin und KHK wird im Alter schwächer und kann sich sogar umkehren. Dazu tragen allerdings Patienten bei, deren Cholesterinspiegel als Folge ihrer Gebrechlichkeit oder wegen Mangelernährung sinkt oder wegen Krebs abnimmt. Wenn man solche Einflussfaktoren herausrechnet, wird die gewohnte Korrelation wiederhergestellt. Der absolute Einfluss der Cholesterinspiegel auf die Mortalität wird im hohen Alter sogar größer.
Damit ist allerdings noch nicht bewiesen, dass eine Cholesterinsenkung im Alter stets nützt. Eine große randomisiert-kontrollierte Studie, in der 40 mg/d Atorvastatin mit Placebo bei Teilnehmern über 70 verglichen wird, ist im Gange. Bis deren Ergebnisse vorliegen, müssen sich Therapieentscheidungen auf die Daten von Beobachtungsstudien und auf Extrapolationen aus Studien mit jüngeren Teilnehmern stützen.
Statine werden zur Primärprävention immer öfter auch bei betagten Patienten eingesetzt. In einer amerikanischen Übersicht wurden sie zu 29% bei Senioren von 80 bis 84 Jahren und noch zu 14% bei solchen über 90 verschrieben. Diese Patienten haben aber möglicherweise eine Cholesterin-Last in ihren Arterien, die in ihrem Leben nicht mehr abzutragen ist.
Die vorliegenden randomisiert-kontrollierten Studien sprechen andererseits dafür, dass mit Statinen in allen Subgruppen die KHK-Häufigkeit reduziert wird. Das galt auch für Teilnehmer mit 75 bis 80 Jahren. Die aktuellen ACC/AHA-Guidelines sprechen sich deshalb dafür aus, eine laufende Statingabe bei Patienten über 75 fortzusetzen, wenn sie vertragen wird. Sie plädieren auch für den Beginn in mäßiger Dosierung in dieser Altersgruppe.

Vorliegende Studiendaten stützen eine KHK-Sekundärprävention auch im Alter über 80. Wahrscheinlich profitieren auch Diabetiker. Für die Empfehlung einer Primärprävention bei sehr alten Diabetikern gibt es keine harten Daten.

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