Chrononutrition – eine vielversprechende Forschungsrichtung

NATUR+PHARMAZIE 3/2019

Damit der Stoffwechsel gut funktioniert

Bei Mensch und Tier spielt die innere Uhr eine wichtige Rolle für den reibungslosen Ablauf der metabolischen Vorgänge. Angesichts der Zunahme von Stoffwechselstörungen wie Adipositas oder Diabetes erscheint es attraktiv, zirkadiane Rhythmen zu nutzen, um den Metabolismus in gesunde Bahnen zu lenken. Bei Tieren gelingt das bereits.
Die Rotation der Erde beschert allen Lebewesen über 24 Stunden unterschiedliche Umweltbedingungen. Darauf haben sie sich seit Urzeiten eingestellt. Im zirkadianen Verlauf werden biochemische und physiologische Prozesse strukturiert, der Energieverbrauch wird optimiert, Stoffwechselwege werden synchronisiert. Das ungestörte Ablaufen dieser Mechanismen bestimmt die metabolische Gesundheit. Ein Umstand auf den man sich besinnen sollte, denn wirksame Methoden, um den entgleisten Stoffwechsel wieder in Einklang mit dem normalen Zirkadianrhythmus zu bringen, werden dringend benötigt.
Heute weiß man, dass z. B. das Timing der Mahlzeiten einen wesentlichen Beitrag zur Regulation des Stoffwechsels und des Körpergewichts leistet. Forscher hoffen, dass mit Strategien der Mahlzeiten-Steuerung Adipositas und Stoffwechselerkrankungen bei jungen und älteren Menschen verhindert werden können. Die neue Disziplin der Chrononutrition hat deshalb zunehmendes Interesse erfahren.
 
Struktur der inneren Uhr
Bei Säugetieren steckt der übergeordnete Taktgeber im Nucleus suprachiasmaticus des Hypothalamus; er wird durch Hell-Dunkel- Signale synchronisiert. Eine periphere Uhr wird von dieser via Nerven und Hormonsignalen eingestellt. Periphere Oszillatoren finden sich in fast allen Geweben, einschließlich Leber, Herz, Nieren, Darm, Skelettmuskulatur sowie auch in Adipozyten und in Blutzellen.
Nahrungsaufnahme stellt einen externen Zeitgeber dar, der die zirkadiane Uhr modifiziert (vor allem über die peripheren Uhren). Die täglichen Rhythmen sind das Ergebnis einer Interaktion zwischen endogener Uhr, Lichtwechsel und dem Essensmuster.
Ein großer Teil der Transkriptome, Proteome und Metabolome zeigt zirkadiane Oszillationen. Davon sind Kohlenhydrat-, Lipid- und Energiestoffwechsel, Entgiftungsprozesse und entzündliche Reaktionen betroffen. Die zirkadiane Uhr unterliegt aber auch selbst einer metabolischen Regulation. Unausgewogene oder übermäßige Nahrungszufuhr führen zu einer Störung der zirkadianen Regulation.
 
Das Mahlzeiten-Timing
Isst man nachts statt tagsüber, werden metabolische Prozesse desynchronisiert. Schichtarbeiter, die zur „falschen“ Zeit essen, neigen zu Adipositas. Auch krankhaftes Nacht-Essen ist mit Fettsucht assoziiert. Wenn Übergewichtige, die üblicherweise an mehr als 15 Stunden des Tages essen, die Nahrungsaufnahme auf zehn bis zwölf Stunden einschränken, nehmen sie ab. Das „time-restricted feeding“ (TRF) während der physiologischen Tageszeit tut dem Stoffwechsel gut. Die „16:8- Diät“ (Essphase von acht Stunden), eine Form von intermittierendem Fasten, ist eine bewährte Strategie zur Gewichtsabnahme. Die Essphase sollte aber eher in den Morgen- als in den Abendstunden liegen. Das intermittierende Fasten ist auch deswegen als Lebensstilveränderung für viele attraktiv, weil die Kalorienrestriktion nicht so sehr im Mittelpunkt steht.
Man hofft, mit Mahlzeiten-Timing eine aus dem Takt geratene innere Uhr wieder korrigieren zu können. Dazu müsste man aber die individuelle Zeiteinstellung auch ablesen können. Ein Ansatz dazu ist der Versuch, aus einer Blutprobe das Expressions-Level bestimmter Zeitsteller-Gene zu bestimmen.
Weitere Formen von intermittierendem Fasten sind Essen an nur jedem zweiten Tag, Fastenperioden mit starker Kalorienbeschränkung (20 bis 25 % des Energiebedarfs) und religiöse Fastenansätze. Bei Tieren bewirkt das intermittierende Fasten eine Verbesserung des Zuckerstoffwechsels, Resistenz gegenüber kardiovaskulären Erkrankungen und Krebs sowie eine längere Lebenserwartung. Ähnlich positive Wirkungen hat auch eine permanente Kalorienrestriktion, bei welcher die Synchronisation innerer Uhren ebenfalls eine Rolle spielt. WE
Zirkadianer Rhythmus im Alter
Bei Senioren verschiebt sich der zirkadiane Rhythmus oft in Richtung Morgen (sie stehen früh auf und gehen früh zu Bett). Im Alter nimmt auch die Fähigkeit der inneren Uhr ab, einen Jetlag oder Schichtarbeit zu kompensieren.
Quelle: Kessler K et al.: Meal timing, aging, and metabolic health. Int J Mol Sci 2019; 20 (8): E1911

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