Diabetes-Management

NATUR+PHARMAZIE 1/2016

Der Diabetes im Kindesalter ist anders

Zuckerkranke Kinder haben meist einen Typ-1-Diabetes, manche auch einen vom Typ 2, einige eine monogen determinierte Sonderform. Allen Spielarten gemeinsam ist, dass man noch zu wenig über die Pathophysiologie weiß. Daran scheitern auch prophylaktische Bemühungen. Mit optimalem Management ist den Kindern aber durchaus geholfen.

Zwei Experten aus Melbourne und Toronto, beleuchten offene Fragen zum Diabetes von Kindern und Heranwachsenden anhand der aktuellen Literatur. Schon die verbreitete Annahme, dass der pädiatrische Diabetes permanent zunimmt, muss hinterfragt werden.
Die Inzidenzzahlen des Typ-1-Diabetes sind in Skandinavien am höchsten, im übrigen Europa und den USA ebenfalls hoch; viel niedriger liegen sie in Asien und Schwarzafrika. Für den Zeitraum zwischen 1989 und 2003 registrierte man in Europa eine Zunahme des typischen Kinder- Diabetes um 3,9% pro Jahr. Für Schweden und Finnland verzeichnet man aber ab 2000 ein Plateau in der Inzidenz. Die Kurve geht also nicht unaufhaltsam nach oben.
Der Typ-2-Diabetes von Kindern und Jugendlichen variiert in der Häufigkeit je nach Region stark. In den USA fand die Studie SEARCH eine Prävalenz von 0,24/1000; in Europa sind es aber erheblich weniger (hier in England am höchsten mit 0,09/1000). Trotz des starken prozentualen Anstiegs, sind die absoluten Zahlen dennoch nicht sehr hoch. Die Befürchtung, dass der Typ- 2-Diabetes bei Kindern parallel zur Adipositas- Epidemie steigt, hat sich bisher nicht bestätigt.

Zu den monogenen Diabetes-Formen neonataler Diabetes und MODY (maturity-onset diabetes in the young, Alter unter 25 Jahren) fand die SEARCH-Studie, dass sie 0,25% bzw. 1,2% der Jugendlichen-Diabetesformen ausmachten.

Was die Pathophysiologie lehrt

Der Typ-1-Diabetes ist eine Autoimmunkrankheit – der Körper wendet sich gegen Komponenten der insulinproduzierenden Betazellen des Pankreas. Liegen mehr als ein unterschiedlicher Autoantikörper vor, ist das Risiko, dass sich ein Typ-1-Diabetes entwickelt, stark erhöht. Bei nur einem Antikörper ist das Risiko kaum gesteigert. Mit weiteren Parametern wie Anstieg des HbA1c, Ergebnissen des Glukosetoleranztests und BMI kann man das Risiko weiter präzisieren.
In 2014 wurde eine besonders aggressive Immunpathologie bei Kindern, bei denen sich die Krankheit sehr früh manifestiert, beschrieben. Wahrscheinlich ist dies eine (von mehreren?) Varianten des Typ-1-Diabetes – offenbar eine heterogene Krankheit.
Exogene Manifestationsfaktoren (Umwelt, Viren) werden immer wieder diskutiert, wurden aber noch nicht wirklich belegt.
Der pädiatrische Typ-2-Diabetes hat einige Besonderheiten. Oft kommen mehr Risikofaktoren zusammen als bei Erwachsenen (ethnische Disposition, Adipositas, familiäre Belas tung). Oft entwickelt sich die Insulinresistenz nach Beginn der Pubertät. Die Betazell-Funktion verschlechtert sich schneller als bei Erwachsenen. Diabetische Ketoazidosen sind besonders häufig. Eine orale Therapie versagt in vielen Fällen frühzeitig.
Entwickelt sich ein Diabetes vor einem Alter von sechs Monaten, spricht man von neonatalem Diabetes. In den meisten Fällen liegt eine Mutation im Insulingen vor oder in Genen, die die Insulinfreisetzung kontrollieren. Viele dieser Kinder wurden bisher als Typ-1-Diabetiker klassifiziert. Meist sind Sulfonylharnstoffe sehr wirksam und einer Insulintherapie überlegen.
Beim MODY fehlen Autoantikörper ebenso wie Adipositas. Es kann eine von mehreren Mutationen vorliegen. Bei Patienten mit leicht erhöhtem Nüchternblutzucker bedarf es meist keiner Therapie. Andere zeigen typische Diabetes- Symptome, sprechen aber sehr gut auf Sulfonylharnstoffe an.
Nach der Meilenstein-Studie DCCT (Diabetes Control and Complications Trial, 1993 publiziert) strebte man eine Senkung des HbA1c von über 9% auf 8 bis 8,5% an. Man erreichte dies mit rekombinanten Humaninsulinen. Inzwischen werden kurz- und langwirkende Analog - insuline bevorzugt. Viele Kinder erhalten heute eine Insulinpumpe. Niedrigere HbA1c-Werte werden damit aber selten erzielt. Allerdings lassen sich Hypoglykämien besser vermeiden.

Welcher HbA1c-Wert bei Kindern erstrebenswert ist, wird auch heute noch diskutiert. Große Diabetes-Gesellschaften plädieren für ein Target von 7,5%. Über ein bestimmtes Insulinregime für Kinder hat man sich bisher nicht geeinigt. Für keine der vielen Neuerungen wurde eine eindeutige Überlegenheit bewiesen.

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