Ist das Volksleiden Arthrose besiegbar?

NATUR+PHARMAZIE 4/2019

Neue Therapien zur Schmerzlinderung

Im Alter gehört die Arthrosis deformans zu den häufigsten Gesundheitsproblemen. Konventionelle Schmerzmedikamente können die Beschwerden begrenzt lindern. Gegen die fortschreitende Degeneration von Knorpel und Knochen richten sie nichts aus. Neue Ansätze erwachsen aus dem tieferen Verständnis der Pathophysiologie.
Eine Arbeitsgruppe aus westlichen Ländern und China rekapitulierte die konventionellen Behandlungsoptionen und skizzierte auf der Pathophysiologie aufbauende Therapieansätze.
 
Begrenzte Hilfe
Paracetamol wird in allen Leitlinien als Schmerzmittel der ersten Wahl empfohlen. Es hemmt geringgradig die entzündlichen Enzyme COX-1 und COX-2, aber deutlich COX-3; dadurch kann es Schmerz und Fieber dämpfen. Unter hohen Dosen (über 3.000 mg/d) besteht die Gefahr von Leberschäden. NSAR werden häufig eingesetzt, wenn Paracetamol nicht hilft. Sie wirken analgetisch, antipyretisch und antientzündlich. Angesichts ihrer Nebenwirkungen sollten sie nur für kurze Zeit eingesetzt werden. Auch die etwas besser verträglichen selektiven COX-2-Hemmer sind nicht ohne Risiko. Opioide kommen in Betracht, wenn Paracetamol oder NSAR nicht wirken oder kontraindiziert sind. Sie werden aber relativ häufig wegen Unverträglichkeit wieder abgesetzt. Dazu kommt das Suchtrisiko. SNRI verbessern die Balance zwischen Serotonin und Norepinephrin in zentralen Schmerzbahnen. Duloxetin ist wirksam u. a. gegen Arthrose-Schmerzen.
Zu den Nebenwirkungen gehören Magen- Darm-Probleme, sexuelle Dysfunktion, Fatigue und Somnolenz. Der Nutzen bei Arthrose muss noch erforscht werden. Intraartikuläre Steroide entfalten schnell antientzündliche und immunsuppressive Wirkungen. Die Daten zur Schmerzlinderung und Funktionsverbesserung sind aber inkonsistent. Nebenwirkungen können Schmerzen an der Injektionsstelle, Flush, septische Arthritis und das seltene Tachon-Syndrom (starke lumbale und dorsale Schmerzen) sein. Vitamin D ist wichtig für den Stoffwechsel von Knorpel und Knochen. Ob es bei Arthrose schmerzlindernd wirkt, ist nicht ausreichend gesichert. Glucosamin, Chondroitinsulfat: Diese Substanzen werden über Jahre bei Arthrose eingesetzt. Sie sind Bestandteile des Knorpels und sollen dessen Degeneration aufhalten. Über eine Verzögerung der radiologischen Progression der Arthrose wurde berichtet. Antioxidanzien sollen in die Pathogenese der Arthrose eingreifen. Über Schmerzlinderung und bessere Gelenkfunktion wurde bei ihrem Einsatz berichtet. Wenn man sie versucht, sollte man auf Interaktionen mit anderen Medikamenten achten.
 
Neue Ansätze
Krankheitsmodifizierende Substanzen sollen mehr leisten als die konventionellen Medikamente. Ansatzpunkte sind der Knorpelstoffwechsel, das Knochen-Remodeling und die Synovialis-Entzündung. Von verschiedenen Biologika verspricht man sich entsprechende Effekte. BMP-7 (bone morphogenetic protein 7) ist ein solcher Faktor. Er wurde von der FDA zur Therapie nicht heilender Frakturen und bei der Wirbelfusionstherapie zugelassen. BMP-7 steigert die Synthese von Knorpelbestandteilen. In einer Phase-1-Studie wurden damit Schmerzen und Funktion bei Arthrose gebessert. FGF-18 (fibroblast growth factor 18) in rekombinanter Form (Sprifermin) bewirkt bei i.a.-Gabe eine Zunahme der Knorpeldicke, wie eine Phase- 2-Studie zeigte.
Eine HSA-Fraktion (humanes Serumalbumin), als Medikament erhältlich, ist antientzündlich aktiv und lindert Arthrose- Schmerzen. Es wird gut vertragen, muss aber noch weiter getestet werden. Antikörper gegen β-NGF (nerve growth factor) wie Tanezumab eröffnen neue therapeutische Möglichkeiten bei Knochenerkrankungen einschließlich Arthrose. Sie wirken schmerzlindernd, können aber die Gelenkdegeneration beschleunigen. IL-1-Inhibitoren (u. a. Anakinra) verhindern im Tierversuch die Entwicklung einer induzierten Arthrose. In klinischen Studien konnte der Effekt aber nicht demonstriert werden. MEPE (matrix extracellular phosphoglycoprotein) soll der subchondralen Knochenverdickung bei Arthrose entgegenwirken. In klinischen Studien fand man eine subjektive Verbesserung, aber keine mit MRI nachweisbaren Effekte. PTH/PTHrP (Parathormon und sein Analogon) regulieren das Knorpelwachstum. Man verspricht sich damit eine chondroregenerative Therapieoption. Inhibitoren von TGF-β (transforming growth factor β) zeigen im Tierversuch eine gelenkprotektive Wirkung. Sie muss am Menschen erst bestätigt werden. RORα (retinoic acid-related orphan receptor alpha) wirkt im Zusammenspiel mit Cholesterin knorpel-destruktiv. Ein inverser Agonist des Rezeptors (SR3335) schützte im Tierversuch. Hier zeichnet sich ein weiterer Ansatzpunkt für eine krankheitsmodifizierende Therapie der Arthrose ab.
Quelle: Zhang W et al.: Emerging trend in the pharmacotherapy of osteoarthritis. Front Endocrinol 2019; 10: 431
ICD-Codes: M19.9

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