Thymian-Zweig mit Blättern und Blüten.

Molekulare Grundlagen entschlüsselt

NATUR+PHARMAZIE

Wie Thymian und Oregano Thymol und Carvacrol bilden

Thymol und Carvacrol wirken sekretlösend, antibakteriell und krampflösend und sind in der Erkältungssaison vielen Menschen eine große Hilfe. Doch wie bilden Thymian und Oregano diese beiden ätherischen Öle? Dies ist vor allem für die Züchtung von Pflanzen für die pharmazeutische Nutzung relevant. Ein Team der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und der Purdue University in den USA hat die molekularen Grundlagen der Synthese der beiden Substanzen erforscht. 
Chemisch gesehen sind beides nah verwandte Substanzen, die von Thymian und Oregano in einem mehrstufigen Prozess gebildet werden. „Das kann man sich wie eine Fertigungsstraße in einer Fabrik vorstellen: Jeder Arbeitsschritt ist aufeinander abgestimmt und nur in der richtigen Reihenfolge entsteht das gewünschte Produkt“, sagt Prof. Dr. Jörg Degenhardt vom Institut für Pharmazie der MLU. Anstelle von Maschinen erledigen Enzyme diese Arbeit in speziellen Drüsenzellen auf der Blattoberfläche. Gemeinsam mit Forschenden der Purdue University in den USA entschlüsselte das Team aus Halle die einzelnen Produktionsschritte.
 
Dabei ließ sich auch ein Jahrzehnte altes Rätsel lösen: „Lange Zeit ging man davon aus, dass Para-Cymol ein Zwischenprodukt der Thymol- und Carvacrolsynthese ist. Allerdings war es chemisch nicht nachvollziehbar, wie aus diesem Stoff letztlich Thymol oder Carvacrol entstehen soll“, so Degenhardt. Tatsächlich entsteht bei der regulären Produktion der beiden Substanzen gar kein Para-Cymol, sondern ein äußerst instabiles Zwischenprodukt. „Dieses existiert in den Pflanzenzellen nur für wenige Augenblicke, weshalb es sich nur schwer beobachten lässt. Es liefert aber den bislang fehlenden Zwischenschritt in der Synthese der beiden Substanzen“, sagt Degenhardt.
 
Für Thymol und Carvacrol laufen zunächst gleiche Prozesse ab, erst im vierten Schritt kommen unterschiedliche Enzyme zum Einsatz, die die jeweilige Substanz produzieren. In einem fünften Schritt können Thymol und Carvacrol weiter zu Thymohydrochinon und Thymochinon umgewandelt werden, die entzündungshemmend und gegen Tumore wirken.
 
Die Forscher:innen konnten zudem mit diesem neuen Wissen eine Tabakart, die Modellpflanze N. benthamiana, genetisch so umprogrammieren, dass sie Thymol produziert. „Das geschah zwar nur in geringen Mengen, es bedeutet aber, dass wir die Synthesewege und die dazugehörigen Enzyme lückenlos aufklären konnten“, fasst Degenhardt zusammen.
 
Die neuen Ergebnisse sind auch für die Züchtung relevant: „Bislang wurden Pflanzen meist zufällig miteinander gekreuzt und dann anhand ihres Geruchs für den Anbau ausgewählt“, so Degenhardt. Mit dem neuen Wissen über die molekularen Grundlagen lassen sich künftig möglicherweise Biomarker entwickeln, um Pflanzen mit einem hohen Gehalt an ätherischen Ölen gezielt auszuwählen. Die Erkenntnisse könnten auch dabei helfen, auf Grundlage von Thymol, Carvacrol und Thymohydrochinon neue Wirkstoffe zu entwickeln, die bei bakteriellen Infektionen, Entzündungen und Krebserkrankungen eingesetzt werden könnten.
Quelle: Kraus S T et al.: The biosynthesis of thymol, carvacrol, and thymohydroquinone in Lamiaceae proceeds via cytochrome P450s and a short-chain dehydrogenase. PNAS (2021). https://doi.org/10.1073/pnas.2110092118 / Pressemitteilung der Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg 21.12.2021
ICD-Codes: J06.
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